Danse macabre - Orgelkonzert
von Manuela Erlinger in der
Stiftskirche Eisgarn/NÖ am Mittwoch 14. August 2002 um 20 Uhr
Danse macabre, das Orgelkonzert unseres
Mitglieds Manuela Erlinger in der Stiftskirche Eisgarn, ist einem
Genre gewidmet, das Künstler bis heute nicht loslässt: Wolfgang
Sauseng, Professor an der Musikuniversität Wien, komponierte
ein Stück über ein nächtliches Tanzfest, den Ballo
per organo, in dem der Tod zur Tür hereintritt. Im Hamburger
Totentanz, einem Gustostückerl für Freunde schräger
Rhythmen und exzentrischer Ideen, zitiert Guy Bovet Für Elise,
die Barcarole von Offenbach und das Leitmotiv aus dem Fliegenden
Holländer, das beim Einfahren jedes Schiffes in den Hamburger
Hafen erklingt. Petr Eben konzentriert sich im biblischen Tanz
von Jephtas Tochter auf den Rhythmus, Volker Hopf lässt in
seiner Toccata mit Totentanz die Zuhörer den tanzklappernden
Schnitter Tod hören, Ernst Ludwig Leitners Totentanz beginnt
leise und unruhig, und steigert sich zu einem überwältigenden
Schluss, der plötzlich abreißt. Johann Nepomuk David schuf
in der Partita eine beeindruckende Pedalfigur, die das Mähen
des Sensenmanns darstellt, das bedrohlich immer näher rückt
...
Manuela Erlinger, Jahrgang 1972, ist seit drei
Jahren Stiftskapellmaestra des Kollegiatstiftes Eisgarn im Waldviertel.
Sie studierte Kirchenmusik und das Konzertfach Orgel bei Prof. Michael
Radulescu an der Universität für Musik in Wien. 1995 verbrachte
sie ein Auslandssemester in Hamburg. Eine passionierte Organistin
bittet "zum Tanz nach ihren Pfeifen" in das kleinste Stift
Österreichs und präsentiert dabei ein faszinierendes Instrument:
Die Orgel hat sich aus der Panflöte entwickelt.
Sie galt als "sinnschmeichelnd" (Vitruv) und diente ursprünglich
der Unterhaltung bei Gladiatorenkämpfen, Zirkusspielen und in
den Herbergen leichter Mädchen. Kaiser Nero selbst trug sich
mit dem Gedanken, als Orgelkünstler aufzutreten. 757 tauchte
das Instrument erstmals in einem Gotteshaus auf. Pippin erhielt von
Kaiser Konstantin neben vielen anderen Geschenken eine Orgel mit bleiernen
Pfeifen, die in der Corneliuskirche in Compiége aufgestellt
und angeblich von einem italienischen Priester gespielt wurde. Im
17. und 18. Jahrhundert fand die Orgel bei Tanz, Spiel und Festen
der höfischen und bürgerlichen Gesellschaft Verwendung.
Sie gehörte damals zum sogenannten "Frauengut", das
bei der Heirat mitwanderte.
Das Programm
- Volker Hopf: Toccata mit Totentanz
- Ernst Ludwig Leitner: Totentanz,
Chaconne über Der grimmig Tod mit seinem Pfeil
- Johann Nepomuk David: Es ist ein Schnitter,
heißt der Tod (Dies irae), Partita für Orgel
- Walter Kraft: Totentanz-Toccata aus
dem Lübecker Totentanz
- Petr Eben: Tanz von Jephtas Tochter
aus Vier biblische Tänze
- Wolfgang Sauseng: Ballo per organo
- Guy Bovet: Hamburger Totentanz aus
Trois préludes hambourgeois
Die Komponisten
Volker Hopf (1931-2001) studierte in Berlin,
Frankfurt und Göttingen. Er wirkte in Kassel als Stadthallenorganist
und Musikkritiker. Sein bekanntestes Werk ist die Oper Zwerg Nase.
In die Toccata mit Totentanz, auch Toccata media vita genannt,
lässt er zahlreiche bekannte Motive einfließen, das Dies
irae, ein fugiertes Media vita, den klappernden Schnitter
Tod und schließlich das siegreiche Halleluja aus Christ ist
erstanden.
Ernst Ludwig Leitner (*1943) wurde bereits
während der Gymnasialzeit mit der Musik des 20. Jahrhunderts
vertraut gemacht. 1970 übernahm er den Bach-Chor in Wels, 1973
wurde er Leiter der Abteilung Musikpädagogik am Mozarteum in
Salzburg und 1978 Hochschulprofessor für Tonsatz ebendort. Cesar
Bresgen schrieb über ihn: "Das Erreichen einer Synthese
klanglicher Farbwelt und überkommener polyphoner Gesinnung dürfte
Leitners vornehmstes Anliegen sein." Den Totentanz komponierte
er 1974 für Orgel. Später überarbeitete er ihn als
Fassung für Streicher. Ein leiser, unruhiger Tanzbeginn steigert
sich im Verlauf des Stückes bis zum überwältigenden
Schluss, der plötzlich abreißt.
Johann Nepomuk David (1895-1977) komponierte
als Volksschullehrer zunächst autodidaktisch und studierte dann
an der Wiener Akademie bei Joseph Marx. Nach zehnjähriger kirchenmusikalischer
Tätigkeit in Wels, wo er unter anderem den Bach-Chor gründete,
wurde er 1934 Kompositionslehrer am Leipziger Konservatorium und Leiter
der dortigen Kantorei. Nach Kriegsende erfolgte die Berufung zum Direktor
des Mozarteum Salzburg, später an die Stuttgarter Musikhochschule.
Sein an die norddeutsche Tradition anknüpfendes 21-bändiges
Choralwerk für Orgel (1932-1974) ist als stärkste schöpferische
Leistung für diese Gattung seit Max Reger anzusehen. Den 10.
Band dieser Reihe bildet die Partita Es ist ein Schnitter, heißt
der Tod aus dem Jahr 1947, welche ein volkstümliches Lied
und die gregorianische Sequenz Dies irae, dies illa in sieben
Teilen verarbeitet. Zu Beginn, im Adagio, wird das Lied in der Pedalstimme
vorgestellt, anschließend - Molto Moderato - wird es in den
Oberstimmen frei zitiert. Das Andante ist als kurzer Triosatz angelegt,
während im Allegro das Thema des Liedes nacheinander in den Manualoberstimmen
und im Pedal verarbeitet wird. Der fünfte Satz, Dies irae,
quantus tremor, tuba mirum, tremens factus sum ego, dies irae,
erklingt als Bicinium und erinnert am Ende an die Organumfortschreitungen
der mittelalterlichen Musik. Die Andante-con-moto-Variation ist die
längste und wahrscheinlich beeindruckendste, da eine Pedalfigur
das tanzende Mähen des Sensenmannes darstellt, welches immer
bedrohlicher näherrückt, während sich darüber
das Thema der Sequenz und der Liedmelodie erheben. Ein abklingender
ruhiger Schluss bildet der siebte Satz, der nochmals beide Themen
zitiert und kombiniert.
Walter Kraft (1905-1977) studierte Komposition
bei Paul Hindemith und wurde 1929 auf Lebenszeit zum Organisten der
Lübecker Marienkirche berufen. Er war Direktor der Schleswig-Holsteinischen
Musikakademie und der norddeutschen Orgelschule in Lübeck. Als
begnadeter Improvisator interessierte sich Kraft für mittelalterliche
Musik, welche besonders in seinen jüngeren Werken immer wieder
durchschimmert. Sein Schaffen gipfelt in den großen oratorischen
Kompositionen, unter denen Christus und Die Gemeinschaft
der Heiligen die bedeutendsten sind. Zur Fortsetzung der Abendmusiken
in St. Marien schuf er 1954 den Lübecker Totentanz - Der alte
Gemäldefries nach Bernt Notke für zwei Chöre, Soli,
16 Soloinstrumente, Orgel und Tanzgruppe, den die Orgel mit der Totentanz-Toccata
einleitet.
Petr Eben (*1929) studierte Komposition an
der Prager Akademie bei Pavel Borkovec. Schon während seiner
Studienzeit machte er durch Kammer- und Vokalmusikkompositionen auf
sich aufmerksam. Er lehrte am Royal Northern College of Music in Manchester
und wurde schließlich zum Professor für Komposition an
die Prager Musikakademie berufen. Eben komponierte zahlreiche Lieder,
Kantaten, Oratorien, Chorwerke, Kammer- und Bühnenmusik. Eines
seiner bevorzugten Instrumente ist die Orgel. Mit dem feierlichen
Zyklus Sonntagsmusik erlangte er frühe Berühmtheit.
Über seine 1992 uraufgeführten biblischen Tänze schrieb
er: "Da mich von jeher das rhythmische Moment inspiriert hat,
wählte ich das in der Orgelliteratur seltener angewandte Genre
der Tänze." Den Text zum Tanz von Jephtas Tochter entnahm
er dem Buch der Richter, in dem Jiftach das Gelübde ablegt, was
immer ihm als erstes begegnet, als Brandopfer darzubringen, wenn er
wohlbehalten von den Ammonitern zurückkehre. Es ist sein einziges
Kind, das dem Vater zur Pauke tanzend entgegen kommt.
Wolfgang Sauseng (*1956) studierte Komposition
bei Anton Heiller und Erich Urbanner an der Musikhochschule Wien,
außerdem Kirchenmusik, Orgel und Orchesterdirigieren. Seit 1977
ist er Organist an der Michaelerkirche, überdies Gründer
und Leiter des Vokal- und Instrumentalensembles "Capella Archangeli".
Ab 1989 unterrichtet er Tonsatz und kirchliche Komposition der Abteilung
Kirchenmusik am Mozarteum Salzburg. Seit 1996 wirkt er als Professor
an der Musikhochschule Wien. Sein Ballo per organo, geschrieben
1993, stellt ein großes, nächtliches Tanzfest dar, zu dem
Wolfgang Sauseng der Film Viridiana von Louis Buñuel,
Die Maske des roten Todes von Edgar Allan Poe und Texte italienischer
Tanztheoretiker des 15. Jahrhunderts inspirierten. Neben Dignissime
madonne treten bei diesem Fest auch rüde Gestalten und Bettler
auf, die ein Sauflied von Pierre Attaignant anstimmen. Martin Luther
schrieb 1524: "Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen."
So tritt auch der Tod zur Tür herein, um sich eine kleine Weile
mit den anwesenden Gästen im Tanz zu erfreuen.
Guy Bovet (*1942) ist vorwiegend als Konzertorganist
tätig. Er wirkt an der Stiftskirche von Neuchâtel, an der
Basler Musik-Akademie sowie an der Universität von Salamanca.
Außerdem ist er Mitglied der Schweizer Kommission für historischen
Orgelbau. Über seine Trois préludes hambourgeois schreibt
der Komponist: "Der Name kam zustande, weil das dritte Stück
lange vor den beiden anderen komponiert worden war und ich von Anfang
an die Absicht hatte, zwei andere zu komponieren; da es aber klar
war, daß Hamburg einen Finalecharakter besitzt, spielte
ich es fünfzehn Jahre lang unter dem Titel "Drittes".
Als dann die beiden anderen Stücke fertig waren, mussten sie
diese Staatsangehörigkeit auf sich nehmen, obschon sie mit Hamburg
überhaupt nichts zu tun haben. Der Hamburger Totentanz
entstand in einem Improvisationskonzert zu zweit mit dem Kollegen
Hans Gebhard in einer Kirche der Hansestadt. Die Ostinato-Figur ist
von einem Harmoniezyklus getragen, der sich immer wiederholt. Die
Registrierungen bewirken ein Crescendo, einige spezifische Spezialklänge
sind eingebaut, ebenso wie folgende Zitate: Barcarole von Offenbach,
Für Elise und das Leitmotiv aus dem fliegenden Holländer,
welches beim Einfahren jedes Schiffes in den Hamburger Hafen über
die Lautsprecheranlage erklingt."
Karten und Informationen Tel.: 0043 / 2863
/ 30 26
Manuela Erlinger gibt seit 1986 Konzerte in
Österreich, Deutschland, Rumänien, der Slowakischen Republik,
Polen und Schottland. Im Juni 2002 erscheint ihre CD-Produktion "Walzer,
Polka, Dancing Feet" für Orgel solo. Pressebetreuung marianne.schwach@web.de
Das Kollegiatstift* Eisgarn liegt im Waldviertel
und ist das kleinste Stift Österreichs. Die bewegte Geschichte
der Propstei begann, als Johann von Klingenberg, Graf von Litschau,
eine kleine Marienkirche im Dorf Eisgarn vergrößerte und
mit Zustimmung des Bischofs von Passau um das Jahr 1330 zum Standort
eines Kollegiatstiftes machte. Dem Auftrag des Gründers entsprechend
sollte dort nicht nur die Seelsorge, sondern auch die Kultur besonders
gefördert werden. Bereits 1393 ist die Existenz einer Stiftschule
urkundlich belegt, die heute noch besteht. Die in den vergangenen
Jahren renovierte Stiftskirche zählt heute zu den schönsten
frühgotischen Kirchen des Waldviertels. An diese Tradition schließt
der derzeitige Propst des Stiftes, Monsignore Ulrich Küchl, mit
den Waldviertler Stiftskonzerten an. Die 1976 ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe
bietet ein umfangreiches Programm an klassischer und vor allem zeitgenössischer
Musik sowie mehreren Ausstellungen.
* Ein Kollegiatstift ist eine
Gemeinschaft von Weltpriestern, die keinem Orden angehören, kein
Gelübde abgelegt haben und das Stift auch wieder verlassen können.
Als "Körperschaft des Öffentlichen Rechtes" kann
es sich eine Verfassung, die "Stiftsstatuten" geben. Die
Mitglieder eines Kollegiatstiftes, Kanoniker oder Chorherren genannt,
sind meist Pfarrer in umliegenden Pfarrgemeinden.
Letzte Aktualisierung:
09.09.2007
|