Hermann Hesse: Narziß und
Goldmund, Roman, 1930.
Es war da der Totentanz
an eine Mauer gemalt, da tanzte der bleiche knöcherne Tod die Menschen
aus dem Leben, den König, den Bischof, den Abt, den Grafen, den Ritter,
den Arzt, den Bauer, den Landsknecht, alle nahm er mit, und beinerne Musikanten
spielten auf hohlen Knochen dazu auf. Tief sogen Goldmunds neugierige
Augen das Bild in sich ein. Da hatte ein unbekannter Kollege die Lehre
aus dem gezogen, was er vom Schwarzen Tod gesehen hatte, und schrie die
bittere Predigt vom Sterbenmüssen den Menschen grell in die Ohren.
Es war gut, das Bild, es war eine gute Predigt, nicht schlecht hatte dieser
fremde Kollege die Sache gesehen und hingestrichen, es klang beinern und
schaurig aus seinem wilden Bilde. Aber doch war es nicht das, was er selbst,
Goldmund, gesehen und erlebt hatte. Es war das Sterbenmüssen, das
hier gemalt war, das strenge und unerbittliche. Goldmund aber hätte
ein anders Bild gewünscht, ganz anders klang ihm das wilde Lied des
Todes, nicht beinern und streng, sondern eher süß und verführend,
heimwärts lockend, mütterlich. Da, wo der Tod seine Hand ins
Leben streckte, klang es nicht so grell und kriegerisch, es klang auch
tief und liebevoll, herbstlich und satt, und in der Todesnähe glühte
das Lebenslämpchen heller und inniger. Mochte der Tod für andere
ein Krieger, ein Richter oder Henker, ein strenger Vater sein für
ihn war der Tod auch eine Mutter und Geliebte, sein Ruf ein Liebeslocken,
seine Berührung ein Liebesschauer.
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